Westwärts…

…aber nicht hoch zu Ross, sondern zum letzten mal im SUV. Schönes Wetter heute – also bin ich noch nach Mystic gefahren. Sehr schnuckeliges Fischereistädtchen – natürlich auf Tourismus zurechtgeschnitten. Dennoch sehr niedlich.

Danach musste es einfach sein – ich bin zu OCC gefahren. Ich meine, wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich da nicht einfach dran vorbei fahren. Und ich war vollkommen hin von den niedlichen Motorrädchen – guckt Euch die Bilder an! Was man doch alles Schönes aus Stahl und Blech machen kann… Und nun bin ich im Besitz einer OCC-Weihnachtsbaumkugel und eines kleinen Paul Teutul Sr., der wild rumschimpft, wen man auf’n Knopf drückt. Schöner Blödsinn… Leider hatten sie keine Sweatshirts in meiner Größe. Erstaunlich eigentlich, denn die schweren Jungs auf den dicken Choppers haben gerne mal sehr ausladende Maße. Naja, man kann nicht alles haben. Wie erkläre ich dem deutschen Zoll den schimpfenden Senior???

Und dann also bin ich nach N.Y.C gefahren. Irgendwann bei Yonkers wurde der Verkehr zähflüssig. Ab der Bronx war es dann eigentlich so wie Autobahndreieck Funkturm um 16:00 und so ging es dann weiter. Die Verhaltensweisen der Fahrenden rund um mich war auch nicht gerade entspannt und höflich. Dagegen sind die Leute in Berlin richtig sanft. Ich hab ganz schön geschwitzt. Das ganze im Dunkeln bei Nieselregen. Mann… Aber ich hab’s geschafft. Alles sehr beeindruckend, wenn man durch diese Häuserschluchten fährt.

Zum Hotel, dann Auto zu AVIS. Dann Taxi zurück zum Hotel – bis ich mal eins hatte. Hier ist wirklich Chaos. Überfüllte Busse, endlose Schlangen an den Haltestellen. Überall Cops, die versuchen das Chaos zu regeln. Feuerwehr und Krankenwagen fahren in einem Fort rum. Heftig!

Der Taxifahrer war übrigens ein schwarzer Reggae-Keyboarder, der sich erstaunlich gut in Berlin und Deutschland auskannte, weil er im Sommer da immer mit seiner Band tourt. Sympathische Type. Nur seine Kenntnisse von Brooklyn waren ähnlich dünn wie meine. Ein Glück hatte ich gestern noch einen Ratgeber für Taxifahren in New York gelesen. Also, dass man erst die grobe Richtung angibt und dann später bei Annäherung ans Ziel etwas konkreter wird. Gemeinsam haben wir es dann gefunden. Als auf einmal überall diese orthodoxen Juden auftauchten, die ich schon auf der Fahrt vom Hotel zu AVIS gesehen hatte, hab ich die Gegend wieder erkannt. Juhu!

Was ne Stadt!!!

Dann war ich noch in so einer Art Supermarkt und habe dort einen großen schwarzen Verkäufer mit meinem Englisch zum lachen gebracht. You’ve got something like Mayonnaise? Reaktion: Man, you wanna Mayonnaise or something like it? Austausch irritierter Blicke. Rettungsversuch: Mayonnaise would be great! Also would take something like it. Nach Klärung meiner mitteleuropäischen Herkunft wurde gescherzt, auf die Schulter geklopft und Light Mayonnaise gefunden. Ich hab den Weg dieses Knaben dann noch ein paar Mal in dem Supermarkt gerkeuzt. Yo, man – you’ve got something like cheese now? And something like ham? Good! Gelächter.

Soweit mag ich Brooklyn!

Und nun sitze ich im 7. Stock des Sumner Hotels in meinem kleinen gemütlichen Zimmerchen, gucke aktuelle Katastrophennachrichten und wenn ich aus dem Fenster gucke, dann sehe ich das hier:

Unglaublich schön und ich hab richtig Glück gehabt mit dem Hotel. Ich hatte eigentlich nach einem Hotel in Lower Manhattan gesucht, aber keins gefunden. Das wär’s dann wohl gewesen.

Morgen muss ich erst mal rausfinden, ob und wie ich nach Manhattan rein komme. Süd-Manhattan ist immer noch platt. Auf dem Weg sind mir diese Krankenwagen begegnet, die eins der Krankenhäuser evakuieren. Großer Skandal hier. Vielleicht geht ja noch was in Upper Manhattan. Hafenrundfahrt, Ellis Island und Miss Liberty kann ich wohl knicken – Battery Park ist total abgesoffen. Also gucke ich eben andere Sachen an. Top Of the Rock, Madame Toussaud’s, Brooklyn Tour, Harlem Tour, Night Tour – mein New York Pass gibt ja ne Menge her – sofern diese Hop-On-Hop-Off-Busse fahren.

Morgen aber erst mal ausschlafen und dann rumtelefonieren. Zur Not guck ich mir drei Tage lang Brooklyn an – hier gibt’s ja einen botanischen Garten, ein Naturkundemuseum und so einiges Andere. Vielleicht find ich auch einen netten Jazz Club.

Jetzt geh ich erst mal waagerecht.

Improvisation!

Ich hatte mir das doch etwas einfacher vorgestellt. Irgendwie naiv – warum laufen denn wohl die ganzen Sondersendungen? Ich bewundere diese Stadt und ihre Bewohner, wie relativ gelassen und stoisch sie diesen Irrsinn wegstecken. Ich frage mich, was in Berlin los wäre, wenn ein Viertel der Stadt – und zwar das wichtigste – komplett lahm gelegt wäre.

Ich hatte mich ja wirklich der Hoffnung hingegeben, meinen New York Pass abzuholen und gemütlich im Bus rum zu schaukeln. Die Busse schaukeln zwar gemütlich, aber man muss erst mal zu der Ausgabestelle für das Ding kommen – und die ist auf der mir abgewandten Seite von Manhattan. Wie da hinkommen?

Erster Anlauf: Ich steige in die J Line in Richtung Jamaica Center (heißt wirklich so). Auf halber Strecke stelle ich fest, dass ich in meinem Tran diesen Zahlungsbeleg im Hotel gelassen habe. Also raus und zurück.

Zweiter Anlauf: Diesmal fahre ich auf Rat eines freundlichen MTA-Menschen in die andere Richtung und nehme den Shuttle-Bus nach Manhattan. Also als der dann nach einer halben Stunde kommt. Schön in der Schlange stehen. Kaum allerdings ist der Bus da, ist Schluss mit zivilisiert. Alle stürzen in den Bus – aber nur hinten. Die extrem hübsche MTA-Frau, die den Menschenstrom irgendwie regeln und lenken soll, brüllt die Menge an, sie möge auch die vordere Tür nehmen. Die Menge rast zur vorderen Tür. Der MTA-Schnuckel ranzt die Menge an, sie solle beide Eingänge nehmen. You’ll never get to Manhattan like this! Die Menge gehorcht irgendwie.

Nun rumpeln wir über den Hudson und dann die Bowery hoch. Sehr gespenstisch. Wie in einem schlechten Film. Die Bowery ist quasi abgesperrt. Überall Polizei, nur Busse und Taxis werden durch gelassen. Oder Autos mit mindestens drei Personen an Bord. Alle anderen müssen draußen bleiben. Dann kommen uns ca. 20 Hummer der Nationalgarde entgegen. Es erinnert wirklich an einen Actionfilm und man erwartet irgendwie, dass in der nächsten Minute Bruce Willis aus einem der Hummer hopst und die Dinge regelt, die da zu regeln sind.

Irgendwann stehe ich Bowery Ecke 54. Straße. Und die Subway hier ist zu – ich hätte an der 42. Straße raus gemusst. Tja… Dumm gelaufen!

Apropos gelaufen – nun bleibt mir nichts Anderes, als meinen untrainierten, gewaltigen Leib quer durch Manhattan zu schleppen. Zumindest bekomme ich so irgendwie doch noch was zu sehen – imposant! Voll! Hektisch! Nicht wirklich mein Ding, wenn ich ehrlich bin. Ich kriege schon Zustände auf dem Ku’damm, wenn ein Feiertag droht – aber das hier ist ja im Größenordnungen heftiger. Schlimm und faszinierend zugleich.

Irgendwann gebe ich auf und versuche ein Taxi zu bekommen. Fehlanzeige. Dann kommt eine Art Rikscha an geklappert mit einem netten jungen Herrn orientalischer Herkunft drauf, der laut Ding Dong macht. Also nehme ich die Rikscha – fein: 15 Minuten und $10 später bin ich am Ziel. Mittlerweile ist es 17:30 und ich muss feststellen, dass es keinen Sinn mehr macht, den Pass abzuholen, weil der erste Tag eh quasi rum ist und die meisten im Pass enthaltenen Eintritte nicht abgegolten werden können, da sich das meiste an Sehenswürdigkeiten in der Sperrzone befindet.

Ich glaube, ich knicke das Ganze morgen – glücklicherweise habe ich eine Ausfallversicherung mit abgeschlossen, sonst wären $200 fürs Gesäß.

Irgendwie lande ich am Broadway. Mittlerweile ist es ätzend kalt geworden. Die angekündigten Nordwinde setzen ein und bringen Arktisches mit sich. Verstärkt durch die engen Straßenschluchten ergibt das ein nettes kühles Windchen – selbst mir zu kalt. Trotzdem – auf dem Broadway machen 5 schwarze, durchtrainierte, schnuckelige, junge Herren eine kleine Break Dance Show. Ziemlich klasse – bis sie durch einen äußerst grimmigen Polizisten an der Fortsetzung gehindert werden. Die umstehende Menge ist not amused, die Jungs ziehen ab.

Ich versuche wieder, ein Taxi zu kriegen. Wenn mal eins hält, dann will der Fahrer aber nicht nach Brooklyn, weil keiner mehr genug Sprit hat, um rüber und weder zurück zu fahren – auch das noch! Ich nehme noch eine Rikscha, um wenigstens irgendwie zu einer Subway zu kommen, die fährt. Und da das nur drei oder vier Linien sind und ich nur eine davon – die M Line – gebrauchen kann, muss ich zur 34. Straße, weil das der Anfangsbahnhof ist und man sich nicht der Hoffnung hingeben sollte, später in den Zug zu kommen. Diesmal kostet die Rikscha $35 – aber wenigstens musste ich das Ende nicht laufen in der Kälte.

Was folgt sind 45 Minuten stehend in einem vollkommen überfüllten Zug. An jedem Bahnhof das gleiche Spiel. Keiner kommt rein, alle versuchen es trotzdem, die Türen verklemmen, der Fahrer orgelt rum, man solle die Türen freigeben, die drinnen sind genervt, weil es nicht weiter geht, die draußen sind genervt, weil sie weiter warten müssen.

Irgendwann kommen wir in Jamaica an – ach, schön wär’s, es wäre wirklich Jamaica. Es ist aber zwischen Queens und der Bronx und das hiesige Publikum ist auf den ersten Blick doch etwas gruselig. Geht aber nicht anders. Ich suche die J Line, bin entweder zu doof oder zu müde oder beides und finde sie nicht. Ich frage ein grimmig dreinblickendes MTA-Flintenweib und die zeigt nur Kaugummi kauend hinter sich – ich stehe vor der Treppe zur J Line. Naja…

Der Rest ist dann U-Bahnfahren von der Stange. 17 Stationen rumpelt man durch eine ziemlich abgewrackte Gegend. Irgendwann wird’s etwas beleuchteter draußen und die Fahrgäste sehen auch nicht mehr ganz so verwegen aus. Mir gegenüber sitzt einer, der aussieht wie frisch entsprungen. Der breitet gewissenhaft ein Schachbrett und viele Bücher auf der Sitzbank um sich rum aus. Ein schwarzer Fahrgast fragt, ob er mit ihm eine Partie spielt. Der etwas verdreht Wirkende guckt nervös und Wimpern zuckend und verneint mit der Begründung, er müsse nun Eröffnungen üben. Ich hätte die gerne fotografiert, aber es bot sich keine geeignete Gelegenheit zum diskreten Ablichten. So hab ich das ganze beobachtet, in mich rein gegrinst und an Kreuzberg gedacht.

Irgendwann bin ich dann endlich am Ziel meiner bescheidenen Wünsche und falle erfreut in “meinen” Supermarkt. Mein neuer Freund, der Schulterklopfer, erinnert sich an mich. Und ich sage: Nice, that you remember the something like a tourist.

Jetzt stecke ich mir zur Belohnung meiner Tapferkeit in Sachen zu Fuß gehen – oh Mann, ich muss dringend mal wieder zu McFit!!! – einen Becher Walgreens Strawberry Cheesecake Ice Cream in den Kopf und dann falle ich ins Fusspflegekoma.

Mal sehen, was ich morgen mache – vielleicht gebe ich mir diesen Ritt nach Manhattan noch mal und versuche wenigstens an einen dieser Touristenbusse zu kommen – derzeit ist Subway und Bus fahren hier umsonst, damit die Leute nicht mit den Autos in die Stadt gurken.


Eins ist auf jeden Fall noch zu sagen:

Hut ab vor den ganzen Leuten, die das ertragen müssen und vielerorts einfach so tun, als wenn nichts sei. Insbesondere, da es in dieser Schärfe vermeidbar wäre, wenn die Energieversorger und andere private Unternehmen, die eigentlich gewisse Verpflichtungen hätten, nicht wie die Irren an allem sparen würden, nur um den Shareholder Value nicht zu gefährden. Das ist der eigentliche Irrsinn an der Situation und wird hier heiß diskutiert.

Und am Sonntag soll zu dem auch noch der New York Marathon statt finden – wie das gehen soll, darüber scheiden sich die Geister. Viele sind der Ansicht, dass das vollkommen unsinnig sei. Insbesondere, da die dafür aufzuwendenden öffentlichen Mittel in gewaltiger Höhe derzeit an anderer Stelle dringender benötigt werden. Andere meinen, man würde bei einem Ausfall oder einer Verschiebung der Veranstaltung einen schweren Image-Schaden für die Stadt riskieren. Aus welchen Lagern die jeweiligen Meinungs- und Bedenkenträger kommen, kann man leicht an einem Finger abzählen.

Man kann mit Blick auf Berlin nur hoffen, dass der dortige Privatisierungsschwachsinn nicht irgendwann mal zu den gleichen katastrophalen Zuständen führt, wie man sie derzeit hier beobachten kann.

Feuerleitern, Feuerwehrautos und Bügeleisen

Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier – darum endete auch heute der Tag bei Walgreens und meinem neuen Freund. Heute hat er mir erklärt, dass er einen komischen Namen hat. Er heißt Swanzy und ein Deutscher hätte ihm gesagt, dass das auf Deutsch etwas Unanständiges sei. Offenbar ging es um das Wort “Schwanz”, welches ich ihm aufschreiben sollte. Der Typ hat sich halb krumm gelacht – ich glaube, der bedient sich reichlich hinten in der Apotheke. Ich habe gesagt: From now on I’m gonna call you Dick. Noch mehr Gelächter – was ne Type… Morgen mehr – mal sehen. was an meinem letzten Tag in N.Y.C dann noch von ihm kommt.

Ansonsten war heute alles schon sehr viel entspannter. So langsam weiß ich, wie alles funktioniert, wo alles ist und gewöhne mich ans Rumlaufen. Fein, dann bin ich bestens gewappnet fürs nächste Mal. So hatte Sandy wenigstens den einen positiven Effekt, dass ich N.Y.C von seiner schrägsten Seite kennen gelernt habe. Und seit 19:17 – da kam die Durchsage im Shuttle-Bus – gibt es auch wieder eine Subway-Verbindung von Brooklyn nach Manhattan. Da kann ich morgen noch mal in aller Ruhe da rüber gondeln.

Heute habe ich mir nun wirklich das amtliche Touri-Programm gegeben. Erst zur Grand Central Station – beeindruckend, umwerfend, eine Kathedrale des Eisenbahnfahrens! Dann den Uptown Loop gefolgt vom Downtown Loop. Und das bei 5°C auf dem nicht überdachten Oberdeck – morgen nehme ich ne wärmere Jacke mit.

Ich habe viele Hochhäuser gesehen. Natürlich das neue World Trade Center. Das herzallerliebste und sicher allerschönste Flat Iron Building, Empire State und Chrysler Building, die Met, Central Park, Dakota Building, Harlem, Battery Park und so weiter und so fort. Sehr gespenstisch in Lower Manhattan: Es war bis auf die Straßenbeleuchtung und Ampeln komplett dunkel. Überall standen riesige Pumpen und pumpten. Zwischen durch andauernd diese riesigen Feuerwehrautos – man muss zugeben, dass die Dinger ganz schön cool sind. Und die Jungs darin auch.

Und überall diese Feuerleitern. Ich habe einen totalen Faible für diese Leitern. Ich glaube das liegt an der West Side Story. Dieses Musical liebe ich und das hab ich schon als kleines Kind hoch und runter gehört. Auf dem Platten-Cover war genau so eine Feuerleiter. Vielleicht liegt das daran – aber diese Feuerleitern sind für mich die Essenz von N.Y.C.

Ansonsten bin ich nun gut tief gefroren und stell mich jetzt mehrere Jahre lang unter die heiße Dusche. Und morgen muss ich mal gucken. Da hopse ich noch mal auf diese Busse und geh vielleicht ins Museum zur Geschichte der American Indians und vielleicht schlage ich mich selbst breit und leiste mir den Ausblick vom Empire State Building.

Nun muss ich erst mal auftauen!

That’s it!

Na, fast – morgen ist Abflug und ich habe mir heute noch mal Lower Manhattan gegeben. Was soll ich sagen?

Ich habe teilweise da gestanden und diese Stadt verflucht. Man verbringt so viel Zeit damit, in runter gekommenen U-Bahnhöfen auf irgendwelche U-Bahnen zu warten, die nicht kommen. Man kann sich nirgends hinsetzen. Irgendwann kommt dann mal ein Zug und der ist garantiert vollkommen überfüllt. Alle haben dicke Ellenbogen – die Grundstimmung scheint zu sein: “Erst ich und die anderen interessieren mich sowieso nicht die Bohne”. Ich beobachte, dass ich wieder aggressiver im Umgang werde, dabei hatte mir Neuseeland und das Containerschiff so gut getan. Ich meine, Leute weg rempeln und mich daneben benehmen kann ich auch. Offenbar ist das die Qualität, die hier gebraucht wird. Oder ich habe einfach eine Wahrnehmungsstörung.

Mal ehrlich – was man hier teilweise sehr konkret zu sehen bekommt, ist eine relativ verkommene, rücksichtslose und teilweise auch runter gekommene Gesellschaft. Ich erinnere mich mit viel Unwohlsein, wie vorgestern bei Walgreens eine Mutter dringend ein Medikament für ihre kleine Tochter benötigte, die wohl starke Bronchitis hatte. Die vollkommen flapsige Apotheken-Trulla guckte die nicht mal an, sondern näselte in dieser grauenhaften, betonungsfreien und desinteressierten Tonart, dass man den Doktor nicht erreiche und nicht wisse, ob die Versicherung das Medikament bezahle und ob sie es bezahle, wenn dieser Doktor es verschrieben hätte und so weiter. Das ist also The Land of the Free – so viel Freiheit hätte ich gerne nicht. Dann doch lieber etwas mehr Staat, wenn damit dann wenigstens eine solide soziale Grundsicherung und Bildung gewährleistet sind.

Ich glaube, ich hätte arge Probleme, hier klar zu kommen. Ich meine, ich komme mit der Stadt klar – sie geht mir mindestens genau so auf den Zünder wie Berlin. Vielleicht liegt’s am Alter. Ich komme auch mit den relativ rüden Umgangsformen hier klar – das kann man ja als Berliner quasi von der Stammzelle an. Aber dieses System von “Jeder ist sich selbst der Nächste” und wer durchs Rost fällt, hat halt Pech gehabt ist mir einfach zu unzivilisiert.

Wenn das unsere Zukunft in Europa oder Deutschland sein sollte, dann gute Nacht, Marie!

So sehr mich diese Stadt fasziniert – ich werde sie nicht wirklich vermissen. Ich war jetzt 15 Jahre nicht mehr in den Staaten und als ich heute auf der 34. Straße mit einem Griechen sprach, der mir eine Coke Zero verkauft hat, war ich doch froh, Europäer zu sein und mit einem solchen zu sprechen. Wenn ich überhaupt so eine Art Nationalstolz habe, den ich dem der Amis nur all zu gerne entgegensetze, dann ist es das wunderbare Gefühl, Europäer zu sein. Mein Bedarf am amerikanischen Way Of Life ist für’s erste mal wieder gedeckt.

Nichts desto trotz  ich bin natürlich gerne aufs Empire State Building gegangen. Wenn gleich auch hier wieder erst mal eine Geduldsprobe auf dem Plan stand. Man geht da nicht einfach rein… Nein, man wird beguckt, man darf sich seines Gürtels und aller Sachen entledigen, die dann durch den Durchleuchtungskasten gehen, man wird hierhin dirigiert und dorthin, man kommt sich vor, wie ein Schaf in der Herde. Wenn schon Schaf, dann bitte in Neuseeland! Ich hatte nach der Prozedur erst mal schon wieder den Kanal voll. Dieses dämliche Dauergrinsen überall, was so unpersönlich ist, wie nur irgendwas. Dann doch lieber ehrlich angepöbelt werden – das hat mehr Stil…

Der Blick von oben nach unten hat mich dann aber versöhnlich gestimmt und ich habe den Shutter rattern lassen. Das ist schon irre, was man da um Dunkeln von oben zu sehen bekommt. Ein gewaltiger Organismus, den man wohl erst nach langer Zeit begreift, versteht und überblickt. Dass er voller bösartiger Geschwüre zu sein scheint, sieht man angesichts der nächtlichen Glitzerfassade natürlich nicht. Aber irgendwann muss man ja wieder runter in die Subway

Ich weiß nicht, was ich von alledem zu halten habe – ein Glück ist meine Meinung auch gar nicht gefragt und ziemlich unwichtig. Dass aber so etwas wie eine natürliche Hassliebe zu dieser Stadt in vielen Menschen, die sie kennen, inne wohnt, ist ja – glaube ich – ein bekanntes Phänomen. So gesehen bin ich sicher vollkommener Durchschnitt und muss mir keine allzu großen Sorgen um meine allgemeine Wahrnehmung und Sozialkompatibilität machen.

Erfreut Euch an den Bildern – ich glaube, einige sind recht gelungen. Es fing mit einem genialen Sonnenaufgang und entsprechenden Reflexionen in der Skyline von Lower Manhattan an und endete mit diesem unglaublich schönen Lichtermeer, was ich so schnell nicht vergessen werde.

Ach ja – ich habe einige der Bilder von heute in die Galerien von gestern gesteckt, weil die da besser hin passten.

Und nun muss ich packen – oder vielmehr umpacken, damit die beiden Koffer und die beiden Rucksäcke jeweils kein Übergewicht haben und alles, was ich unterwegs gekauft habe, in einem Rucksack ist. Immerhin will man dem deutschen Zoll ja geordnet und wohl vorbereitet begegnen – ach, was freu ich mich schön auf die neugierigen Spürnasen…

Mr. Swanzy

Nachdem ich meinen neuen Freund, Mr. Swanzy, heute schon auf dem Weg zur Subway getroffen habe, als er seinem A4 entstieg, der angeblich nicht viel wert sei in den USA, weil schon 10 Jahre alt, dafür aber umso teurer im Unterhalt, bin ich natürlich gewohnheitsgemäß bei meiner Rückkehr nach Williamsburg bei Walgreens eingekehrt, um mich mit abendlichen Nahrungsmitteln einzudecken.

Und als ich reinkam, stand am Eingang schon Kobby Swanzy, zeigte mit dem Daumen nach oben und grinste von Brooklyn bis Harlem. Ich habe mich so gefreut, den Kerl zu sehen, weil der einfach beste Laune verbreitet, was ich nach den heutigen Subway-Erlebnissen (“Fat white Sucker!”, weil ich nicht rechtzeitig einer Viermädelstruppe auf der Treppe ausgewichen bin) sehr nötig hatte.

Wir haben länger gequatscht und dann Email-Adressen und Telefonnummern ausgetauscht. Und weil der gute Kobby, der eigentlich aus Ghana ist, aber schon seit 10 Jahren in Brooklyn lebt und arbeitet, mir dreimal den Tag bzw. den Abend mit seiner unglaublich sympathischen Art gerettet hat, hat er auch schon eine Email bekommen – solche Leute hätte man gerne im Freundeskreis.


yo, man!

i told you, i’ll send you an email. thanks again for making my day three times – i mean, i am from a huge loud and stressy city, but certainly nyc beats it by orders of magnitude. sometimes i just stood somehere and thought, i hate that fucking city. especially when standing at some rotten subway station wiating for a train that wouldn’t come. and if its coming its completely crowded. ppl being rude or annoyed or just cool or all at once. yeah – its almost the same in berlin, but i am used to it in berlin. i guess you get used to it, when living here as well. but here, it’s much tougher tho. i mean – on my trip i had been to really nice and calm places (new zealand!) with relaxed friendly ppl, who wouldn’t hurry at all, smile at you etc… so whenever i stoo at one of these places and was about losing my temper, i remembered that in the evening i’m gonna meet you and your all bright smile again and i thought to myself, there still are nice ppl in this city. take it as a compliment, i mean it exactly as i wrote it. so thanks!

btw… if you look here:

http://blogs.herrrausb.de/worldtrip2012/?page_id=1086

you might find out, that i tried to look sharp at you city. tried to find the ups and the downs. the fassades and whats behind them. and one thing is for sure – this damn place is full of extraordinary beautiful women – mainly afro american and hispanic. i never saw so much pride, dignity und beauty gathered in one human being than when looking at all these women. i rather would have liked to take tons of pictures of these beautiful beings – but i shouldnt disturb their privacy, so i’ll keep them in mind as great memory. even a very small black one in a subway who flirted with me. you know, they always flirt these little ones. not to be mistaken – of course thats not flirting like in „lets have a date“ or something (like this…). its just, even at the age of – say – 4 they already know, how to wrap you around their fingers (if that makes sense) and she was absolutely cute. making faces at me, so i responded with funny faces and we both were smiling. until her mother realized that and gave me a rather grim look. what a pity – i just was trying to be nice and friendly. well… would be just great, if ppl would be able to accept each other and live together…

see ya, man – it really has been a great pleasure meeting you – and thats not the all american phrase, but honestly and european meant!

best regards

axel

JFK

Sind ja derzeit nur fünf Stunden Verspätung. Juhu! Die Reise endet so, wie sie begonnen hat – ich sitze auf’m Flughafen fest. Um mich rum tobt der Wahlkampf. Ich kann es langsam alles nicht mehr hören. Die gehen mir so derart aufn Keks – vor allem sind es alles so derart gehaltlose Sachen… Spiegel Online hatte da einen niedlichen Beitrag – das trifft’s schon ganz gut. Wie ich gestern schon geschrieben habe – genug USA für die nächsten Jahre.

Nun sitze ich hier in der Lounge und genieße gruseligen Kaffee und bin reichlich müde. Und ich muss noch drei Stunden aushalten, bevor ich mich mal langsam in Richtung Gate bewegen kann. Und dann noch neu Stunden Flug oder so. Mann – na, ich hab mir ja Business Class gegönnt – da kann ich wenigstens die Beine ausstrecken bzw. hoch legen. Dazu noch ein paar Filmchen und dann war’s das endgültig.

Ging viel zu schnell und heute in einer Woche kann ich wieder voller Inbrunst an meinem Magengeschwür arbeiten – hach, was freu ich mich da drauf! Die Realität hat mich wieder – ich fahr vom Flughafen erst mal zu ALDI und kauf ein. Das ist keine schlechte Idee, denn die ALDI-Mädels in der Filiale am Saatwinkler Damm sind alle ganz entzückend. Dann hab ich wenigstens einen freundlichen Einstieg in den Abstieg!

Irgendwie bin ich müde – das war schon ne ganze Menge an Eindrücken und Erlebnissen. Mal sehen, ob ich mich bis Montag noch mal etwas ausruhe und von der Erholung erhole.

In diesem Sinne hör ich noch ne Runde Roger Cicero und grinse mir einen…