That’s it!

Na, fast – morgen ist Abflug und ich habe mir heute noch mal Lower Manhattan gegeben. Was soll ich sagen?

Ich habe teilweise da gestanden und diese Stadt verflucht. Man verbringt so viel Zeit damit, in runter gekommenen U-Bahnhöfen auf irgendwelche U-Bahnen zu warten, die nicht kommen. Man kann sich nirgends hinsetzen. Irgendwann kommt dann mal ein Zug und der ist garantiert vollkommen überfüllt. Alle haben dicke Ellenbogen – die Grundstimmung scheint zu sein: “Erst ich und die anderen interessieren mich sowieso nicht die Bohne”. Ich beobachte, dass ich wieder aggressiver im Umgang werde, dabei hatte mir Neuseeland und das Containerschiff so gut getan. Ich meine, Leute weg rempeln und mich daneben benehmen kann ich auch. Offenbar ist das die Qualität, die hier gebraucht wird. Oder ich habe einfach eine Wahrnehmungsstörung.

Mal ehrlich – was man hier teilweise sehr konkret zu sehen bekommt, ist eine relativ verkommene, rücksichtslose und teilweise auch runter gekommene Gesellschaft. Ich erinnere mich mit viel Unwohlsein, wie vorgestern bei Walgreens eine Mutter dringend ein Medikament für ihre kleine Tochter benötigte, die wohl starke Bronchitis hatte. Die vollkommen flapsige Apotheken-Trulla guckte die nicht mal an, sondern näselte in dieser grauenhaften, betonungsfreien und desinteressierten Tonart, dass man den Doktor nicht erreiche und nicht wisse, ob die Versicherung das Medikament bezahle und ob sie es bezahle, wenn dieser Doktor es verschrieben hätte und so weiter. Das ist also The Land of the Free – so viel Freiheit hätte ich gerne nicht. Dann doch lieber etwas mehr Staat, wenn damit dann wenigstens eine solide soziale Grundsicherung und Bildung gewährleistet sind.

Ich glaube, ich hätte arge Probleme, hier klar zu kommen. Ich meine, ich komme mit der Stadt klar – sie geht mir mindestens genau so auf den Zünder wie Berlin. Vielleicht liegt’s am Alter. Ich komme auch mit den relativ rüden Umgangsformen hier klar – das kann man ja als Berliner quasi von der Stammzelle an. Aber dieses System von “Jeder ist sich selbst der Nächste” und wer durchs Rost fällt, hat halt Pech gehabt ist mir einfach zu unzivilisiert.

Wenn das unsere Zukunft in Europa oder Deutschland sein sollte, dann gute Nacht, Marie!

So sehr mich diese Stadt fasziniert – ich werde sie nicht wirklich vermissen. Ich war jetzt 15 Jahre nicht mehr in den Staaten und als ich heute auf der 34. Straße mit einem Griechen sprach, der mir eine Coke Zero verkauft hat, war ich doch froh, Europäer zu sein und mit einem solchen zu sprechen. Wenn ich überhaupt so eine Art Nationalstolz habe, den ich dem der Amis nur all zu gerne entgegensetze, dann ist es das wunderbare Gefühl, Europäer zu sein. Mein Bedarf am amerikanischen Way Of Life ist für’s erste mal wieder gedeckt.

Nichts desto trotz  ich bin natürlich gerne aufs Empire State Building gegangen. Wenn gleich auch hier wieder erst mal eine Geduldsprobe auf dem Plan stand. Man geht da nicht einfach rein… Nein, man wird beguckt, man darf sich seines Gürtels und aller Sachen entledigen, die dann durch den Durchleuchtungskasten gehen, man wird hierhin dirigiert und dorthin, man kommt sich vor, wie ein Schaf in der Herde. Wenn schon Schaf, dann bitte in Neuseeland! Ich hatte nach der Prozedur erst mal schon wieder den Kanal voll. Dieses dämliche Dauergrinsen überall, was so unpersönlich ist, wie nur irgendwas. Dann doch lieber ehrlich angepöbelt werden – das hat mehr Stil…

Der Blick von oben nach unten hat mich dann aber versöhnlich gestimmt und ich habe den Shutter rattern lassen. Das ist schon irre, was man da um Dunkeln von oben zu sehen bekommt. Ein gewaltiger Organismus, den man wohl erst nach langer Zeit begreift, versteht und überblickt. Dass er voller bösartiger Geschwüre zu sein scheint, sieht man angesichts der nächtlichen Glitzerfassade natürlich nicht. Aber irgendwann muss man ja wieder runter in die Subway

Ich weiß nicht, was ich von alledem zu halten habe – ein Glück ist meine Meinung auch gar nicht gefragt und ziemlich unwichtig. Dass aber so etwas wie eine natürliche Hassliebe zu dieser Stadt in vielen Menschen, die sie kennen, inne wohnt, ist ja – glaube ich – ein bekanntes Phänomen. So gesehen bin ich sicher vollkommener Durchschnitt und muss mir keine allzu großen Sorgen um meine allgemeine Wahrnehmung und Sozialkompatibilität machen.

Erfreut Euch an den Bildern – ich glaube, einige sind recht gelungen. Es fing mit einem genialen Sonnenaufgang und entsprechenden Reflexionen in der Skyline von Lower Manhattan an und endete mit diesem unglaublich schönen Lichtermeer, was ich so schnell nicht vergessen werde.

Ach ja – ich habe einige der Bilder von heute in die Galerien von gestern gesteckt, weil die da besser hin passten.

Und nun muss ich packen – oder vielmehr umpacken, damit die beiden Koffer und die beiden Rucksäcke jeweils kein Übergewicht haben und alles, was ich unterwegs gekauft habe, in einem Rucksack ist. Immerhin will man dem deutschen Zoll ja geordnet und wohl vorbereitet begegnen – ach, was freu ich mich schön auf die neugierigen Spürnasen…