Schiffsnetzwerke und Containerbrücken

So – da hatte ich dem Kapitän doch versprochen, dass ich mich mal um das Netzwerk auf dem Schiff kümmere, damit die von der Brücke und vom Maschinenraum wieder auf den Rechner im Ladebüro zugreifen können. Es ist wirklich erstaunlich – die Firmen vertrauen alles der IT an, sparen sie aber gleichzeitig in Grund und Boden – so ein Chaos… ich frage mich, ob IT-Schiffsbetreuung nicht doch noch was wäre, um sich selbständig zu machen… Dann ist man quasi wie ein Agent und geht an Bord, wenn die im Hafen sind und richtet alles, macht die notwendigen Updates und so weiter. Hier darf jeder überall an den Rechnern machen, was er will. Und die Jungs haben alle keine wirklich Basisausbildung… Nicht mal der Chief als Ingenieur… Sicherungslaufwerke? Zentraler Server? Einheitliche Ordner- und Ablagestruktur? Wie? Wäääääääääääs? Sowäshämwänich…

Tja…

Aber ein hübsches Klo gibt es auf der Brücke – das war so einer der letzten Orte, die ich noch nicht fotografiert hatte – nun habe ich!

Der Vormann von der Ladegang am Euro Gate lässt mich nicht auf der Containerbrücke mitfahren. Täte im Leid, sei verboten. Na, dann frag ich eben heute Nachmittag am CTA noch mal… Und wenn da nicht, dann eben am CTT – und wenn da auch nicht, dann Pech. Für morgen habe ich mir noch ein Ticket im Miniatur Wunderland reserviert. Das ist doch ein netter Abschluss einer schönen Reise!

Maschinenraum und mehr

Neun Decks runter und rein in den Kontrollraum. Ich habe ja jetzt schon einige Maschinenräume gesehen – und ich muss sagen, so ein sauberer und aufgeräumter Maschinenraum war da noch nicht bei! Sehr angenehm – Was ich denn mit den Arbeitshandschuhen wolle? Mann! Ich wollte doch den Chief nicht in der Seele treffen! In anderen Maschinenräumen, die ich sah, ist es ölig, dreckig, heiß, ungelüftet – hier kann man quasi von der Maschine essen…

Dann hat mir der Kapitän noch sein Hospital gezeigt. Da gibt es alles, was man so braucht – auch für kleinere und größere Notoperationen. Alles in Tüten mit einer Code-Nummer drauf. Dann kann über Satellitentelefon der ärztliche Beratungsdienst hinzugeschaltet werden, der Inventarlisten mit den gleichen Code-Nummern hat. So können dann im Ernstfall genaue Anweisungen gegeben werden, bis ärztliche Hilfe eintrifft.

Tja – früher gab es einen kräftigen Schluck Rum, dann einen mit dem Holzhammer über die  Birne und das Bein wurde abgesägt – Pech! Hat sich doch einiges geändert…

Und ich ändere jetzt auch was – nämlich meine Lage – ich kippe in die Koje… Um 21:00 soll es nach Hamburg gehen. Da kommen wir dann so gegen 6:00 morgens an – dann heisst es Netzwerk reparieren, damit der Chief Mate wegen der Ladepapiere nicht immer extra aus seinem Cargo Office auf die Brücke rennen muss. Mal sehen, ob ich die Herren glücklich machen kann.

Hinter uns liegt übrigens die Eugen Maersk aus der E-Klasse der Maersk-Schiffe – das ist ein ganz schöner Pott – und trotzdem nicht unhübsch… Aber nun erst mal gute Nacht!

(Mittlerweile ist es 22:15 und wir liegen immer noch hier rum…)

Klönschnack & Seemannsgarn

Heute ist es ruhig. Wenn man mal davon absieht, dass ich einen auf den Deckel bekommen hab von der Hafenaufsicht in Bremerhaven. Bin da zwischen den Kränen und Transportern rumgehopst und habe fotografiert. Ist verboten… Kleine Belehrung – allerdings sehr freundlich und unaufgeregt. Aber immerhin ist der Mensch mir bis aufs Schff hinterher… Ich muss doch aber fotografieren… Naja, er hat ja Recht – es ist gefährlich. Ich solle nächstes mal von der Brücke beim Hafen anrufen lassen, dann könnte man immer was organisieren.

Eigentlich würd ich ja auch gerne mal auf eine Ladebrücke hoch. Ich werde das mal auf einer der nächsten Reisen probieren. Ich werde morgen im CTA einfach mal runter wackeln und den Vormann von der Lade-Gang anquatschen.

Und ich muss dem Kapitän noch mit seinem Netzwerk an Bord helfen. Mach ich doch gerne. Also kommen wir morgen um irgendwann sehr früh in Hamburg an und ich bleibe an Bord, mache die ganze Verholerei noch mit, kümmere mich um das Netzwerk und am CTA frag ich nach.

Ansonsten haben wir den ganzen Tag auf der Brücke gesessen und der Alte hat mir Geschichten erzählt – wenn der einmal anfängt, dann hört er nicht mehr auf. Schöne Geschichten und sehr lehrreich. Da verstehe ich diese Kadetten nicht, die hier total desinteressiert ihre Wachen abreißen. Der Alte könnte denen so derart viel beibringen und würde das sicher auch gerne tun. Sagt er auch – aber er sagt auch, dass er den Jungs nicht hinterher rennt. Wenn sie nicht wollen, dann wär es eben so. Schade… Ich erinnere mich an meine Lehrzeit damals als Rohrleger und wie froh ich war, wenn ich nen Schieber hatte, der mir was beigebracht hat. Naja… Wer nicht will, der hat schon…

Ui! Der Chief ruft an – der Passagier möge in der Maschine antreten – Rundgang… Nix wie los!!!

 

Nerv!

Mann, Mann, Mann… In Bremerhaven wird die Carolina Maersk nicht fertig. Um 5:00 hätten wir da schon längsseits gehen sollen. Satz mit X… Nun liegen wir auf Reede. Anker werfen ist keine Option… Einerseits weiß man nicht genau, wann der Lotse kommt – und dann muss es schnell gehen. Außerdem ist das Wetter zumindest ungemütlich – nicht so ganz ungefährlich für die Matrosen, den Haken weg zu schmeißen – um es mal mit dem Kapitän zu sagen.

Also bummeln wir hier mit langsamer Fahrt gegen die Strömung an. Mit der Folge, dass es schaukelt, gelegentlich mal eine Welle unfreundlich und mit Nachdruck von unten gegen das Heck klopft, was dann einen netten Ruck gibt und die Maschine – wie generell bei langsamer Fahrt – eine äußerst nervige Vibration erzeugt. Die ganze Struktur hier dröhnt und klappert, was eigentlich das wirklich Schlafraubende ist. Zumal das schon die ganze Zeit im Nordostseekanal so ging.

Heute Nacht war es nicht so gut mit schlafen bislang. Der Kaffee eben um 4:30 auf der Brücke trägt auch nicht zur nötigen Bettschwere bei. Gelegentlich ist Schiff fahren auch mal doof…

Aber das vergisst man glücklicherweise genau so schnell wieder, wie Betäubungsspritzen beim Zahnarzt…

Ich dreh mich noch mal um – vielleicht sack’ ich ja doch mal weg. Morgen werde ich wohl recht verquollen aus den Klüsen gucken.

Tolle Idee…

Da dachte ich mir eben, der Nordostseekanal sieht soooo hübsch aus bei Nacht. Da müsse man doch ein Foto haben… Also bin ich raus und hab ein paar Bilder gemacht. In T-Shirt und Jogginghose… Und kaum war ich dabei, ging ein Schneeregenschauer vom Feinsten runter… Moah!!!!

Nun ist mir kalt! Ich geh in die Koje!

Rolling home…

Allerdings noch nicht nach dear old Hamburg, sondern erst mal nach Bremerhaven – morgen früh um 5:00 sollen wir da ankommen. Na, schaumama… Gerade fahren wir aus der Schleuse Holtenau raus in den Nordostseekanal. Leider wieder im Dunkeln – ich frage mich, ob ich die Passage noch mal im Hellen und bei gutem Wetter machen werde… Na, vielleicht ja im April, wenn ich nach Finnland hoch fahre…

Jetzt geh ich mit dem Abendessen kämpfen…

Landgang – Klaipėda

Schon mal auf einer schwankenden Kommandobrücke Kaffee gekocht und abgewaschen? Wer Kaffee will, muss balancieren (und wer Sahne will, muss Kühe schütteln – muhahaha!). Und ich brauche den dringend, den Kaffee… Der Landgang war schön und ich bin jetzt relativ platt. Und glücklich mal wieder über die Abnehmerei – ich bin da knapp 4 Stunden rumgelaufen ohne die geringsten Probleme wie Rückenschmerzen, Schweißausbrüche und all die anderen Ausfallerscheinungen vergangener Zeiten. Es ist wirklich ein bisschen wie ein neues Leben…

Das erste Mal in einer der drei baltischen Republiken! Spannend!!!

Der Agent hat mich abgeholt und an der reichlich rundlichen und grimmig guckenden Zolltante vorbei gelotst. Die hatte natürlich was zu meckern… Man dürfe auf dem Hafengelände nicht fotografieren – ich war doch aber schon runter vom Hafengelände! Njet! Und das wäre die falsche Passnummer auf der Passagierliste. Klar – der Kapitän hat meinen Reisepass und ich hatte meinen Personalausweis mit. Das führte dann zu Diskussionen zwischen dem sehr netten Agenten und dem ganz offensichtlich übrig gebliebenen, Frau gewordenen Relikt aus sozialistischen Bürokratie- und Obrigkeitszeiten… Soll ich wieder einen meiner Gesänge über relativ unterbelichtete Menschen performen und wie sie sind, wenn sie auch nur ein kleines bisschen Macht über andere haben?

Nein – ich bin da durch und dann wurde es unterhaltsam. Der Agent hat mich in der Altstadt abgesetzt und ich bin los. Erst mal ins Touristenbüro – alle sehr nett da und hilfreich. Dann in so ein Nobelhotel mit Geldwechsel – und schon hatte ich mein erstes litauisches Geld in der Hand.

Dann bin ich zum Theaterplatz und nun wüsste ich gerne mal, wer Simon Dach war. Der hat offensichtlich im 17. Jahrhundert gelebt – vielleicht ein Zeitgenosse Kants? Das war ja alles mal Ostpreußen irgendwann – sobald ich wieder ein vernünftiges Netz habe, wird der Mann gegoogelt.

Vom Theaterplatz bin ich dann durch einige sehr schnuckelige mit Kopfstein gepflasterte Sträßchen zu einem sehr gemütlichen Café gegangen und habe dort meinen ersten litauischen Kaffee getrunken. Guter Stoff – ein Glück kann man sich mittlerweile eigentlich mehr oder weniger überall auf guten Kaffee verlassen!

Wiener und Italiener mögen das möglicherweise anders sehen – sind Wiener oder Italiener anwesend?

Nach dieser kleinen Kaffeepause bin ich weiter durch die Altstadt gewandert und habe mir das Schulschiff Meridianas auf der Memel angeguckt – ein Wahrzeichen Klaipėdas und ein wahres Prachtstück von einem alten Dreimaster. Dann weiter durch sehr kleine Straßen mit sehr lustigen Verkehrszeichenwäldern.

Die Häuser hier erinnern mich in Teilen ein wenig an Stockholm – nicht ganz so pompös, aber irgendwie… tja… baltisch? Preußisch jedenfalls eher nicht. Außerhalb der Altstadt herrscht dann aber leider eher sozialistischer Neobrutalismus. Fertigbauplatte in furchterregendem Zustand. Große weite zubetonierte Flächen, alles doch eher kahl und seelenlos.

Also zurück in die Altstadt. Da war ein Geschäft namens Amber Queen – nannte sich hochtrabend Bernsteinmuseum, war aber doch eher ein Geldgrab für Kreuzfahrttouristen. Fotografieren verboten! Also habe ich von außen durchs Schaufenster das eine oder andere Exponat abgelichtet und wurde allsofort von einer eifrigen Verkäuferin weggewedelt. Die Auslagen hatten alles zu bieten – von sehr schön und geschmackvoll bis zu erschreckendem Kitsch.

Daneben dann ein Pelzladen und diverse andere Läden, mehrheitlich mit Utensilien für offenbar unanständig reiche Russinnen. Der Agent hat erzählt, die Russen aus Kaliningrad kaufen in Klaipėda in größeren Gruppen und größeren Mengen regelmäßig ein – es sind nur 75km – und selbst, wenn man Visagebühren und Transportkosten abrechnen würde, läge die Ersparnis noch bei ca. 50%. So sah ich etliche arrogant drein blickende, erheblich überschminkte, mit Juwelen behangene und in Pelze gehüllte, angereiftere Damen von aufgedunsener Konsistenz und hefeteigartigem Teint, die in ihren SUVs relativ rücksichtslos durch die kleinen Gässchen und Sträßchen rumpelten. Dann vielleicht doch lieber wieder die Glorreiche Rote Armee?

Ja, ich bin auch keine Augenweide – aber ich mache auch nicht mit einem Selfish Useless Vehicle kleine Städte platt und sehe dabei peinlich aus!

Als Kontrastprogramm gab es aber auch – dies sei zur Ehrenrettung Klaipėdas gesagt, welches ja für diese sagen wir mal zweite russische Invasion nichts kann – auch jede Menge wirklich sehr aparter baltischer Naturschönheiten und andere markante Typen zu bewundern.

Dann wieder zurück ins Touristenbüro, wo ich ein paar Postkarten nebst Briefmarken erwarb, beschriftete, beklebte und in den Briefkasten warf. Mal sehen, ob und wann sie ankommen! Danach bin ich was Schönes essen gegangen in der Alten Hanse – einem Jazz-Restaurant mit hervorragender Küche – es gab Krabbensuppe.

Schließlich habe ich noch den alten Fachwerkspeicher gesucht und nicht gefunden. Dafür aber noch mehr schön Motive, die Ihr natürlich in der Bildergalerie anschauen könnt. Noch einmal um die Ecke und da stand dann auch schon der Agent und hat mich wieder zum Schiff gefahren.

Und jetzt sitze ich da auf eben dieser Brücke, der Kaffee hat gut geschmeckt und ich falle nun langsam aber sicher sowie von neuen Eindrücken sehr bereichert 3 Decks den Niedergang runter in meine Kammer, dort in meine Koje und alsbald ins Koma. Und wenn ich wieder eine funktionierende Netzwerkverbindung habe, lade ich das alles hoch und freue mich auf die zweite Durchfahrt durch den Nordostsee- oder auch Kielkanal.

Organisation

Na, fein! Der Agent ist an Bord und nachdem ich den gefragt habe, wie ich am besten in die Altstadt komme, hat er gesagt, er könne mich ja morgen abholen am Schiff und da hin fahren. 2 Stunden später wieder zurück. Dafür will er 20€ haben. OK – nach seiner eigenen Aussage kostet ein Taxi 7€ – aber dafür muss ich dann auch nicht im Container-Terminal rumrennen, Taxis suchen und so weiter… Schön – dann ist der Landgang morgen ja gesichert und ich habe zumindest 2 Stündchen in der Altstadt. Freude!