Landgang – Klaipėda

Schon mal auf einer schwankenden Kommandobrücke Kaffee gekocht und abgewaschen? Wer Kaffee will, muss balancieren (und wer Sahne will, muss Kühe schütteln – muhahaha!). Und ich brauche den dringend, den Kaffee… Der Landgang war schön und ich bin jetzt relativ platt. Und glücklich mal wieder über die Abnehmerei – ich bin da knapp 4 Stunden rumgelaufen ohne die geringsten Probleme wie Rückenschmerzen, Schweißausbrüche und all die anderen Ausfallerscheinungen vergangener Zeiten. Es ist wirklich ein bisschen wie ein neues Leben…

Das erste Mal in einer der drei baltischen Republiken! Spannend!!!

Der Agent hat mich abgeholt und an der reichlich rundlichen und grimmig guckenden Zolltante vorbei gelotst. Die hatte natürlich was zu meckern… Man dürfe auf dem Hafengelände nicht fotografieren – ich war doch aber schon runter vom Hafengelände! Njet! Und das wäre die falsche Passnummer auf der Passagierliste. Klar – der Kapitän hat meinen Reisepass und ich hatte meinen Personalausweis mit. Das führte dann zu Diskussionen zwischen dem sehr netten Agenten und dem ganz offensichtlich übrig gebliebenen, Frau gewordenen Relikt aus sozialistischen Bürokratie- und Obrigkeitszeiten… Soll ich wieder einen meiner Gesänge über relativ unterbelichtete Menschen performen und wie sie sind, wenn sie auch nur ein kleines bisschen Macht über andere haben?

Nein – ich bin da durch und dann wurde es unterhaltsam. Der Agent hat mich in der Altstadt abgesetzt und ich bin los. Erst mal ins Touristenbüro – alle sehr nett da und hilfreich. Dann in so ein Nobelhotel mit Geldwechsel – und schon hatte ich mein erstes litauisches Geld in der Hand.

Dann bin ich zum Theaterplatz und nun wüsste ich gerne mal, wer Simon Dach war. Der hat offensichtlich im 17. Jahrhundert gelebt – vielleicht ein Zeitgenosse Kants? Das war ja alles mal Ostpreußen irgendwann – sobald ich wieder ein vernünftiges Netz habe, wird der Mann gegoogelt.

Vom Theaterplatz bin ich dann durch einige sehr schnuckelige mit Kopfstein gepflasterte Sträßchen zu einem sehr gemütlichen Café gegangen und habe dort meinen ersten litauischen Kaffee getrunken. Guter Stoff – ein Glück kann man sich mittlerweile eigentlich mehr oder weniger überall auf guten Kaffee verlassen!

Wiener und Italiener mögen das möglicherweise anders sehen – sind Wiener oder Italiener anwesend?

Nach dieser kleinen Kaffeepause bin ich weiter durch die Altstadt gewandert und habe mir das Schulschiff Meridianas auf der Memel angeguckt – ein Wahrzeichen Klaipėdas und ein wahres Prachtstück von einem alten Dreimaster. Dann weiter durch sehr kleine Straßen mit sehr lustigen Verkehrszeichenwäldern.

Die Häuser hier erinnern mich in Teilen ein wenig an Stockholm – nicht ganz so pompös, aber irgendwie… tja… baltisch? Preußisch jedenfalls eher nicht. Außerhalb der Altstadt herrscht dann aber leider eher sozialistischer Neobrutalismus. Fertigbauplatte in furchterregendem Zustand. Große weite zubetonierte Flächen, alles doch eher kahl und seelenlos.

Also zurück in die Altstadt. Da war ein Geschäft namens Amber Queen – nannte sich hochtrabend Bernsteinmuseum, war aber doch eher ein Geldgrab für Kreuzfahrttouristen. Fotografieren verboten! Also habe ich von außen durchs Schaufenster das eine oder andere Exponat abgelichtet und wurde allsofort von einer eifrigen Verkäuferin weggewedelt. Die Auslagen hatten alles zu bieten – von sehr schön und geschmackvoll bis zu erschreckendem Kitsch.

Daneben dann ein Pelzladen und diverse andere Läden, mehrheitlich mit Utensilien für offenbar unanständig reiche Russinnen. Der Agent hat erzählt, die Russen aus Kaliningrad kaufen in Klaipėda in größeren Gruppen und größeren Mengen regelmäßig ein – es sind nur 75km – und selbst, wenn man Visagebühren und Transportkosten abrechnen würde, läge die Ersparnis noch bei ca. 50%. So sah ich etliche arrogant drein blickende, erheblich überschminkte, mit Juwelen behangene und in Pelze gehüllte, angereiftere Damen von aufgedunsener Konsistenz und hefeteigartigem Teint, die in ihren SUVs relativ rücksichtslos durch die kleinen Gässchen und Sträßchen rumpelten. Dann vielleicht doch lieber wieder die Glorreiche Rote Armee?

Ja, ich bin auch keine Augenweide – aber ich mache auch nicht mit einem Selfish Useless Vehicle kleine Städte platt und sehe dabei peinlich aus!

Als Kontrastprogramm gab es aber auch – dies sei zur Ehrenrettung Klaipėdas gesagt, welches ja für diese sagen wir mal zweite russische Invasion nichts kann – auch jede Menge wirklich sehr aparter baltischer Naturschönheiten und andere markante Typen zu bewundern.

Dann wieder zurück ins Touristenbüro, wo ich ein paar Postkarten nebst Briefmarken erwarb, beschriftete, beklebte und in den Briefkasten warf. Mal sehen, ob und wann sie ankommen! Danach bin ich was Schönes essen gegangen in der Alten Hanse – einem Jazz-Restaurant mit hervorragender Küche – es gab Krabbensuppe.

Schließlich habe ich noch den alten Fachwerkspeicher gesucht und nicht gefunden. Dafür aber noch mehr schön Motive, die Ihr natürlich in der Bildergalerie anschauen könnt. Noch einmal um die Ecke und da stand dann auch schon der Agent und hat mich wieder zum Schiff gefahren.

Und jetzt sitze ich da auf eben dieser Brücke, der Kaffee hat gut geschmeckt und ich falle nun langsam aber sicher sowie von neuen Eindrücken sehr bereichert 3 Decks den Niedergang runter in meine Kammer, dort in meine Koje und alsbald ins Koma. Und wenn ich wieder eine funktionierende Netzwerkverbindung habe, lade ich das alles hoch und freue mich auf die zweite Durchfahrt durch den Nordostsee- oder auch Kielkanal.

2 Gedanken zu „Landgang – Klaipėda

  1. Vielen Dank für die Fotos aus Klaipeda, dem Geburtsort meines Vaters. Ich war selbst nie da, daher ist es spannend einen kleinen Eindruck zu bekommen. Den Kommentar dazu habe ich erst jetzt entdeckt. Die Fotos hatte ich mir schon mal angesehen. Gibt es noch welche von dieser Reise?
    LG, Eva

    • Na, mal sehen – wir sind morgen da… Kommt darauf an, wann wir einlaufen. Im Moment stecken wir immer noch im Sturm und sind nicht schnell unterwegs. Das könnte morgen etwas chaotisch werden. Zudem ist es sehr weit vom Containerterminal nach Klaipeda und wenn ich nicht irgendnen Deal mit irgendwem mache, dann wirds mir zu teuer für 2-3 Stunden – lass Dich überraschen. Wusste gar nicht, dass Du Litauerin bist – daher das dezent hübsche Erscheinungsbild 🙂

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