Klönschnack & Seemannsgarn

Heute ist es ruhig. Wenn man mal davon absieht, dass ich einen auf den Deckel bekommen hab von der Hafenaufsicht in Bremerhaven. Bin da zwischen den Kränen und Transportern rumgehopst und habe fotografiert. Ist verboten… Kleine Belehrung – allerdings sehr freundlich und unaufgeregt. Aber immerhin ist der Mensch mir bis aufs Schff hinterher… Ich muss doch aber fotografieren… Naja, er hat ja Recht – es ist gefährlich. Ich solle nächstes mal von der Brücke beim Hafen anrufen lassen, dann könnte man immer was organisieren.

Eigentlich würd ich ja auch gerne mal auf eine Ladebrücke hoch. Ich werde das mal auf einer der nächsten Reisen probieren. Ich werde morgen im CTA einfach mal runter wackeln und den Vormann von der Lade-Gang anquatschen.

Und ich muss dem Kapitän noch mit seinem Netzwerk an Bord helfen. Mach ich doch gerne. Also kommen wir morgen um irgendwann sehr früh in Hamburg an und ich bleibe an Bord, mache die ganze Verholerei noch mit, kümmere mich um das Netzwerk und am CTA frag ich nach.

Ansonsten haben wir den ganzen Tag auf der Brücke gesessen und der Alte hat mir Geschichten erzählt – wenn der einmal anfängt, dann hört er nicht mehr auf. Schöne Geschichten und sehr lehrreich. Da verstehe ich diese Kadetten nicht, die hier total desinteressiert ihre Wachen abreißen. Der Alte könnte denen so derart viel beibringen und würde das sicher auch gerne tun. Sagt er auch – aber er sagt auch, dass er den Jungs nicht hinterher rennt. Wenn sie nicht wollen, dann wär es eben so. Schade… Ich erinnere mich an meine Lehrzeit damals als Rohrleger und wie froh ich war, wenn ich nen Schieber hatte, der mir was beigebracht hat. Naja… Wer nicht will, der hat schon…

Ui! Der Chief ruft an – der Passagier möge in der Maschine antreten – Rundgang… Nix wie los!!!

 

Nerv!

Mann, Mann, Mann… In Bremerhaven wird die Carolina Maersk nicht fertig. Um 5:00 hätten wir da schon längsseits gehen sollen. Satz mit X… Nun liegen wir auf Reede. Anker werfen ist keine Option… Einerseits weiß man nicht genau, wann der Lotse kommt – und dann muss es schnell gehen. Außerdem ist das Wetter zumindest ungemütlich – nicht so ganz ungefährlich für die Matrosen, den Haken weg zu schmeißen – um es mal mit dem Kapitän zu sagen.

Also bummeln wir hier mit langsamer Fahrt gegen die Strömung an. Mit der Folge, dass es schaukelt, gelegentlich mal eine Welle unfreundlich und mit Nachdruck von unten gegen das Heck klopft, was dann einen netten Ruck gibt und die Maschine – wie generell bei langsamer Fahrt – eine äußerst nervige Vibration erzeugt. Die ganze Struktur hier dröhnt und klappert, was eigentlich das wirklich Schlafraubende ist. Zumal das schon die ganze Zeit im Nordostseekanal so ging.

Heute Nacht war es nicht so gut mit schlafen bislang. Der Kaffee eben um 4:30 auf der Brücke trägt auch nicht zur nötigen Bettschwere bei. Gelegentlich ist Schiff fahren auch mal doof…

Aber das vergisst man glücklicherweise genau so schnell wieder, wie Betäubungsspritzen beim Zahnarzt…

Ich dreh mich noch mal um – vielleicht sack’ ich ja doch mal weg. Morgen werde ich wohl recht verquollen aus den Klüsen gucken.

Tolle Idee…

Da dachte ich mir eben, der Nordostseekanal sieht soooo hübsch aus bei Nacht. Da müsse man doch ein Foto haben… Also bin ich raus und hab ein paar Bilder gemacht. In T-Shirt und Jogginghose… Und kaum war ich dabei, ging ein Schneeregenschauer vom Feinsten runter… Moah!!!!

Nun ist mir kalt! Ich geh in die Koje!

Rolling home…

Allerdings noch nicht nach dear old Hamburg, sondern erst mal nach Bremerhaven – morgen früh um 5:00 sollen wir da ankommen. Na, schaumama… Gerade fahren wir aus der Schleuse Holtenau raus in den Nordostseekanal. Leider wieder im Dunkeln – ich frage mich, ob ich die Passage noch mal im Hellen und bei gutem Wetter machen werde… Na, vielleicht ja im April, wenn ich nach Finnland hoch fahre…

Jetzt geh ich mit dem Abendessen kämpfen…

Landgang – Klaipėda

Schon mal auf einer schwankenden Kommandobrücke Kaffee gekocht und abgewaschen? Wer Kaffee will, muss balancieren (und wer Sahne will, muss Kühe schütteln – muhahaha!). Und ich brauche den dringend, den Kaffee… Der Landgang war schön und ich bin jetzt relativ platt. Und glücklich mal wieder über die Abnehmerei – ich bin da knapp 4 Stunden rumgelaufen ohne die geringsten Probleme wie Rückenschmerzen, Schweißausbrüche und all die anderen Ausfallerscheinungen vergangener Zeiten. Es ist wirklich ein bisschen wie ein neues Leben…

Das erste Mal in einer der drei baltischen Republiken! Spannend!!!

Der Agent hat mich abgeholt und an der reichlich rundlichen und grimmig guckenden Zolltante vorbei gelotst. Die hatte natürlich was zu meckern… Man dürfe auf dem Hafengelände nicht fotografieren – ich war doch aber schon runter vom Hafengelände! Njet! Und das wäre die falsche Passnummer auf der Passagierliste. Klar – der Kapitän hat meinen Reisepass und ich hatte meinen Personalausweis mit. Das führte dann zu Diskussionen zwischen dem sehr netten Agenten und dem ganz offensichtlich übrig gebliebenen, Frau gewordenen Relikt aus sozialistischen Bürokratie- und Obrigkeitszeiten… Soll ich wieder einen meiner Gesänge über relativ unterbelichtete Menschen performen und wie sie sind, wenn sie auch nur ein kleines bisschen Macht über andere haben?

Nein – ich bin da durch und dann wurde es unterhaltsam. Der Agent hat mich in der Altstadt abgesetzt und ich bin los. Erst mal ins Touristenbüro – alle sehr nett da und hilfreich. Dann in so ein Nobelhotel mit Geldwechsel – und schon hatte ich mein erstes litauisches Geld in der Hand.

Dann bin ich zum Theaterplatz und nun wüsste ich gerne mal, wer Simon Dach war. Der hat offensichtlich im 17. Jahrhundert gelebt – vielleicht ein Zeitgenosse Kants? Das war ja alles mal Ostpreußen irgendwann – sobald ich wieder ein vernünftiges Netz habe, wird der Mann gegoogelt.

Vom Theaterplatz bin ich dann durch einige sehr schnuckelige mit Kopfstein gepflasterte Sträßchen zu einem sehr gemütlichen Café gegangen und habe dort meinen ersten litauischen Kaffee getrunken. Guter Stoff – ein Glück kann man sich mittlerweile eigentlich mehr oder weniger überall auf guten Kaffee verlassen!

Wiener und Italiener mögen das möglicherweise anders sehen – sind Wiener oder Italiener anwesend?

Nach dieser kleinen Kaffeepause bin ich weiter durch die Altstadt gewandert und habe mir das Schulschiff Meridianas auf der Memel angeguckt – ein Wahrzeichen Klaipėdas und ein wahres Prachtstück von einem alten Dreimaster. Dann weiter durch sehr kleine Straßen mit sehr lustigen Verkehrszeichenwäldern.

Die Häuser hier erinnern mich in Teilen ein wenig an Stockholm – nicht ganz so pompös, aber irgendwie… tja… baltisch? Preußisch jedenfalls eher nicht. Außerhalb der Altstadt herrscht dann aber leider eher sozialistischer Neobrutalismus. Fertigbauplatte in furchterregendem Zustand. Große weite zubetonierte Flächen, alles doch eher kahl und seelenlos.

Also zurück in die Altstadt. Da war ein Geschäft namens Amber Queen – nannte sich hochtrabend Bernsteinmuseum, war aber doch eher ein Geldgrab für Kreuzfahrttouristen. Fotografieren verboten! Also habe ich von außen durchs Schaufenster das eine oder andere Exponat abgelichtet und wurde allsofort von einer eifrigen Verkäuferin weggewedelt. Die Auslagen hatten alles zu bieten – von sehr schön und geschmackvoll bis zu erschreckendem Kitsch.

Daneben dann ein Pelzladen und diverse andere Läden, mehrheitlich mit Utensilien für offenbar unanständig reiche Russinnen. Der Agent hat erzählt, die Russen aus Kaliningrad kaufen in Klaipėda in größeren Gruppen und größeren Mengen regelmäßig ein – es sind nur 75km – und selbst, wenn man Visagebühren und Transportkosten abrechnen würde, läge die Ersparnis noch bei ca. 50%. So sah ich etliche arrogant drein blickende, erheblich überschminkte, mit Juwelen behangene und in Pelze gehüllte, angereiftere Damen von aufgedunsener Konsistenz und hefeteigartigem Teint, die in ihren SUVs relativ rücksichtslos durch die kleinen Gässchen und Sträßchen rumpelten. Dann vielleicht doch lieber wieder die Glorreiche Rote Armee?

Ja, ich bin auch keine Augenweide – aber ich mache auch nicht mit einem Selfish Useless Vehicle kleine Städte platt und sehe dabei peinlich aus!

Als Kontrastprogramm gab es aber auch – dies sei zur Ehrenrettung Klaipėdas gesagt, welches ja für diese sagen wir mal zweite russische Invasion nichts kann – auch jede Menge wirklich sehr aparter baltischer Naturschönheiten und andere markante Typen zu bewundern.

Dann wieder zurück ins Touristenbüro, wo ich ein paar Postkarten nebst Briefmarken erwarb, beschriftete, beklebte und in den Briefkasten warf. Mal sehen, ob und wann sie ankommen! Danach bin ich was Schönes essen gegangen in der Alten Hanse – einem Jazz-Restaurant mit hervorragender Küche – es gab Krabbensuppe.

Schließlich habe ich noch den alten Fachwerkspeicher gesucht und nicht gefunden. Dafür aber noch mehr schön Motive, die Ihr natürlich in der Bildergalerie anschauen könnt. Noch einmal um die Ecke und da stand dann auch schon der Agent und hat mich wieder zum Schiff gefahren.

Und jetzt sitze ich da auf eben dieser Brücke, der Kaffee hat gut geschmeckt und ich falle nun langsam aber sicher sowie von neuen Eindrücken sehr bereichert 3 Decks den Niedergang runter in meine Kammer, dort in meine Koje und alsbald ins Koma. Und wenn ich wieder eine funktionierende Netzwerkverbindung habe, lade ich das alles hoch und freue mich auf die zweite Durchfahrt durch den Nordostsee- oder auch Kielkanal.

Organisation

Na, fein! Der Agent ist an Bord und nachdem ich den gefragt habe, wie ich am besten in die Altstadt komme, hat er gesagt, er könne mich ja morgen abholen am Schiff und da hin fahren. 2 Stunden später wieder zurück. Dafür will er 20€ haben. OK – nach seiner eigenen Aussage kostet ein Taxi 7€ – aber dafür muss ich dann auch nicht im Container-Terminal rumrennen, Taxis suchen und so weiter… Schön – dann ist der Landgang morgen ja gesichert und ich habe zumindest 2 Stündchen in der Altstadt. Freude!

Silvester

Na, das ist doch mal ne Party! Da haben die Philippinos den Grill angeworfen…

… und ein ziemlich opulentes Silvesteressen gezaubert.

Der Kapitän hat wohl schon den ganzen Tag den Philippinos von Dinner for One vorgeschwärmt. Also mussten sie sich das natürlich alle angucken und wurden  immer lustiger.

Ich glaube übrigens, dass der Kapitän seine Jungs sehr mag – ich habe den die ganze Zeit nicht einmal von oben herab erlebt. Nur seine vier Kadetten begeistern ihn scheinbar nicht so wirklich – ansonsten wirkt er eher väterlich, wenngleich auch sehr bestimmt. Angenehm!

Ansonsten passiert hier nix. Ich gucke gerade den Silvesterstadl über Satellit – das ist wirklich eine Härteprüfung… Mia gehn ned foat, mir bleiben do! Das ist der gesamte Text eines ganzen Liedes (?), welches sich über qualvolle 3 Minuten erstreckt.

Ich kapier aber jetzt, warum die ganzen alten Säcke sowas gucken – die Mädels da quellen ja sowas von aus ihren Dirndln – sehr appetitlich… Wenn man dann den Ton abdreht…

Ich geh um 23:00 hoch auf die Brücke – dann sehr ich vielleicht ein bischen Feuerwerk an Land. Dann wird wohl in der Messe einmal *pling* gemacht und dann war es das auch schon. Recht unspektakulär – und ich kann eh keinen Sekt trinken…

Heute Nacht gehen wir vor Klaipeda auf Reede bis morgen Abend gegen 17:00 – dann bleiben wir 24 Stunden und wenn mir Konstantin (dauerschläfriger Kadett) dann erklärt, wie das da mit dem Landgang am besten funktioniert, komme ich mal runter von dem Kahn und setze das erste Mal in meinem Leben meinen Fuss aufs ehemalige Gebiet des Bösen…

Und jetzt dreh ich dem Andy Borg den Saft ab – es gibt auch keine Alternative – im ZDF quäkt die Kievel rum – die ist zwar niedlich, aber das hilft ihr nix – ein furchtbare Frau… Und von den ganzen anderen Sendern wollen wir nicht reden…

Wie auch immer – ich wünsche Euch einen guten Rutsch und ein schönes neues Jahr!

Feuerwerk

MSC

Scheiße – schon wieder so ein MSC-Pott (Mediterranian Shipping Company) havariert vor Kanada. Das ist vielleicht eine Drecksfirma… Gehört einem Belgier und einer Italienerin mit Hauptsitz in der Schweiz. Die sparen alles in Grund und Boden. Glaubt man den Briten, steht MSC für More Scrap Coming – der Rest der nichtitalienischen und nichtbelgischen Welt beharrt auf Mafia Shipping Company.

Die armen Schweine da an Bord…

Nix ist mit Seefahrtsromantik – sehr harte Bandagen und der gleiche Druck auf den Kapitänen wie auf Lastwagenfahrern. Es leben der Liberalismus und die Globalisierung!

Riga

*ratter* *rumpel* *vibrier* *dröhn*

Langsame Fahrt – immer recht unruhig. Lotsen an Bord genommen und nun einlaufen in Riga. Das Reich des Bösen! Also ehedem… Vor 25 Jahren war das hier alles Sperrgebiet. Ganz böse… Der furchtbare Russe saß hier, guckte grimmig und sagte vorzugsweise Njet! Väterchen Frost glotzt auch schon unterkühlt über die Reeling – und das sieht dann so aus:

Schade, dass ich nicht von Bord komme. Aber das hat keinen Sinn. Das Zentrum ist doch gut 10km weit weg, Shuttle gibt es nicht, was ein Taxi kosten sollte, weiß keiner, der Lotse, der mir da hätte helfen können war schneller von Bord als sein Schatten. Der Chief guckt nur und sagt, in Osteuropa ginge er aus Prinzip nicht von Bord. Dann äußert er sich noch allgemein unerfreulich über osteuropäische Wirtschaftsflüchtlinge, die ab 1.1.2014 in Deutschland auch Hartz-IV-Anspruch haben und wähnt einen baldigen Bürgerkrieg. Ich habe irgendwann gelernt, die Klappe zu halten. Der Mann ist mit einer furchtbar freundlichen Philippina verheiratet, die über Weihnachten / Neujahr mit an Bord ist. Wenn ich mich recht erinnere, herrscht dort auch eine ganz veritable Armut… Bei manchen Leuten versteh ich die mentalen Zusammenhänge nicht wirklich…

Mal sehen, ob ich morgen noch etwas mehr von Riga zu sehen bekomme. Aber laut Agent und Lademeister wird da hier 8 – 10 Stunden dauern. Also sind wir schon morgens zwischen 3:00 und 5:00 wieder weg. na, vielleicht bekomme ich dann Silvester was von Klaipeda mit…