Miraflores

Was ein Anblick! Was ein Ausblick! Man verliert den Überblick…

Ich habe doch noch ein paar Nachtaufnahmen gemacht. Ähm.. Also, 1083 – davon sind 106 übrig geblieben und 44 in der engeren Auswahl fürs Blog gelandet. Bilderschlacht, Regenschlacht, Hitzeschlacht… Ich bin erschlagen und habe wieder dieses britische Gouverneur-Feeling…

Da fährt man in Balboa – grandiose Skyline – auf die erste Schleuse zu. Miraflores. Das sieht aus wie eine Startbahn auf dem Flughafen. Grüne und rote Lichter in einer schnurgeraden Linie. Sehr beeindruckend. Am Ende der Einfahrt dann die Amerikabrücke und links davon die Baustelle für die neuen Schleusen. Vollkommen gigantisch – so etwas habe ich noch nie gesehen. Und nachts sieht es natürlich noch beeindruckender aus, denn alles wird von unzähligen Flutlichtern taghell ausgeleuchtet. Gegen diese Baustelle ist das Loch damals am Potsdamer Platz eine ziemliche Lachnummer.

Langsam – es ist mittlerweile 02:30 – schleicht man sich an die Schleuseneinfahrt ran – von hinten stabilisiert ein kleines Kraftpaket von Schlepper den Kurs, von der Seite tut selbiges ein weiterer Schlepper. Der Lotse kommt im Schnellboot. Der Zoll und die Polizei kreisen um uns herum. Ein weiteres Schnellboot kommt und spuckt haufenweise kräftige kleine Herren aus – die Kanal-Crew, 19 Mann stark, klettert an der Strickleiter an Bord.

Diese bringen uns unter der Leitung des Lotsen durch die Schleusen. Dies geschieht nicht mit eigener Kraft, sondern wir werden von einer Unzahl kleiner wuseliger Lokomotiven gezogen. Die Kanal-Crew ist zuständig für die ganzen Seile und Kabel, mit denen wir gezogen werden. Vorne ziehen zwei auf beiden Seiten und mittschiffs und achteraus stabilisieren uns weitere Lokomotiven, damit wir nicht gegen die Schleusenwände schrammen. Steuerbord und Backbord vielleicht je 5m Platz, was angesichts unserer Größe und Masse nicht wirklich viel ist.

Ich würde gerne mal auf’s Hauptdeck gehen und mir das ganze von Nahem ansehen. Geht nicht. Alles verrammelt. Zu gefährlich. Wenn so ein Kabel reißt, ist die Rübe ab.

Schnell ein Sandwich in der Messe – es ist bereits 4:00 morgens und ich bin total durch und verdreckt, weil ich überall hingehüpft und rumgekrochen bin. Dazu der Regen. Man soll nicht glauben, dass der irgend eine Abkühlung bringt. Auch der Wind nicht. Man kann sich auch einen Fön ins Gesicht halten – der trocknet wenigstens, was man von der feuchten Luft hier nicht wirklich erwarten kann.

Miraflores besteht aus zwei mal drei Becken und kann gleichzeitig vier Schiffe verarzten. 1913 wurde das gebaut – so steht es am Schleusenhaus. Vor uns wird die Adriatic Pearl ins übernächste Becken gezogen und gemeinsam fahren wir hoch. Gleichzeitig wird hinter uns in die Parallelschleuse ein irrer Eimer von Hapag Lloyd in die Schleuse gezogen.

Das ist eine unglaubliche Präzisionsarbeit und viel abgestimmte und klare Kommunikation zwischen Lotse und Lokführern. Unser Kapitän steht daneben und macht einen guten Eindruck – mit frischem Vierstreifenhemd zur Feier des Tages. Viel mehr hat er im Moment nicht zu melden – sicher nicht leicht für ihn, aber hier regiert der Lotse mit seiner Crew. Joey steuert per Hand. Der Lotse gibt Kursanweisungen, Joey bestätigt – so ernsthaft und formal haben wir ihn noch nie erlebt. Das Steuer ist übrigens gerade mal so groß, wie so ein Bobbycar-Lenkrad. Ich denke an die gewaltige Ruderhydraulik hinter der Hauptmaschine und bin wie so oft beeindruckt.

Um 05:40 gebe ich auf. Charlotte bleibt noch – aber die ist ja auch erst 27. Ich kann nicht mehr geradeaus gucken und schlurfe in meine Kemenate – der Kanal muss erst mal ohne mich statt finden. Nachdem ich nach ca. 30 Minuten halbwegs abgekühlt bin, entgleite ich der bewussten Wahrnehmung meiner drückend warmen Umgebung.

Um 09:30 kurzer Blick aus dem Fenster – rechts grün, links grün, in der Mitte Wasser, schnurgerade – aha, Kanal. Und wieder zurück ins Koma.

Um 12:00 duschen – hilft absolut gar nichts. Mittagessen. Rauf auf die Brücke, raus auf die Nock. Paff! 33°C und mindestens 400% Luftfeuchtigkeit hauen mich zurück ins Brückenhaus. Gewitterwolken. Zwei Minuten da draußen und man steht komplett unter Wasser. Ansonsten: Nichts.

Warten… Im Gatun-See. Der ist bildschön. Überall Regenwald, Palmen, Inselchen und alles voller dicker Pötte. Die warten alle darauf, dass Die Konvois aus dem Norden durch kommen. Danach fahren wir dann in die Schleusen von Gatun nach Norden zum Atlantik.

Angeblich um 14:30 – mal sehen!